Intensiver Austausch zu den Themen Nachfolge und Nachhaltigkeit

Nachhaltig gründen

Wer sich heute selbständig macht, kommt am Thema Nachhaltigkeit nicht vorbei. Nachhaltige Unternehmensstrategien sind langfristig ausgerichtet und vereinen soziale, ökologische und ökonomische Anforderungen. Daher ist die Übernahme eines Betriebes meist per se nachhaltiger als die Unternehmensgründung. Denn hier werden in der Regel bestehende Werte und Strukturen langfristig erhalten und Ressourcen geschont.

Aber ambitionierte Menschen, die ein Unternehmen übernehmen möchten, sind rar gesät. Insbesondere der Anteil von Frauen, die eine Nachfolge antreten, ist gering. Der Frauenanteil bei Betriebsübernahmen liegt zwischen 13 und 23 Prozent, sagt beispielsweise die „bundesweite gründerinnenagentur“, eine Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Eva-Maria Wobbe, die beim STARTERCENTER des Kreis Recklinghausen Gründer und Gründerinnen unterstützt, sieht darin eine persönliche Herausforderung: „Es gibt immer noch viel zu wenig Frauen, die in den Blick geraten oder die auch selber sagen, ich will ein Unternehmen übernehmen. Das ist eine große Aufgabe für mich.“

Dabei gibt es in der Region genügend gute Beispiele von Frauen, die Betriebe übernommen und erfolgreich weiterentwickelt haben. Toni Petschulat aus Hattingen hat vor 13 Jahren eine Änderungsschneiderei übernommen und diese zu einer gewerblichen Serienfertigung entwickelt. Die Floristin Birgit Honvehlmann hat in Waltrop ihren Ausbildungsbetrieb übernommen, ihn aus dem Dornröschenschlaf erweckt und zu einem modernen Inklusionsbetrieb mit 23 Beschäftigten ausgebaut.

Ein Unternehmen finden: „Die Nächste bitte“ kann unterstützen

War es bei Toni Petschulat eher der Zufall, hat Birgit Honvehlmann ihre Übernahme gedanklich lange geplant. Jutta Beyrow ist eine erfahrene Unternehmensberaterin und eine der Leiterinnen des Projektes „Die Nächste bitte!“, das sich im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gezielt an weibliche Nachfolgerinnen für Klein- und Kleinstbetriebe richtet. Sie kennt die unterschiedlichen Entscheidungswege: „Die erste Idee ist meistens die Selbständigkeit, erst der zweite Gedanke ist die Nachfolge. Der Zufall spielt dann oft eine große Rolle bei der Übernahme.“

Denn die größte Schwierigkeit ist es, dass abgebende Unternehmen und potenzielle Nachfolger_innen auch zusammenkommen. Die Sparkassen vor Ort beobachten immer wieder, dass gut laufende Unternehmen schließen, weil sie niemanden für die Nachfolge finden und sich oft genug auch nicht rechtzeitig darum gekümmert haben. Gleichzeitig gilt eine Übernahme für Gründungswillige oft als wenig sexy, so dass sie die aufwändige Suche scheuen. Ulrike Weber, die mit der Prospektiv GmbH aus Dortmund eine der Trägerinnen des Projektes „Die Nächste bitte!“ ist, kennt die Problematik: „Es stellt sich immer die Frage, wie finde ich eigentlich ein passendes Unternehmen? Da gibt es vor allem die Nachfolgebörse Nexxt Change. Hier können auch Suchende ihr Inserat aufgeben. Das läuft normalerweise über die Kammern. Aber Interessentinnen können sich auch an uns wenden. Wir können das für euch einstellen“, bietet sie den Teilnehmenden des Online-Austausches an.

Der Kaufpreis und die Finanzierung: Oder was kaufe ich da eigentlich?

Ein großes Fragezeichen und oftmals auch ein Wermutstropfen bei der Nachfolge ist der Kaufpreis. Zum einen ist es schwer, einen wirklich fairen Kaufpreis zu finden, sagt Jutta Beyrow: „Wir unterscheiden gewöhnlich den Substanzwert, das sind Maschinen, Möbel und Technik. Das andere ist der Goodwill. Das sind die immateriellen Werte, wie Kunden, Marke, Bekanntheit und Renommee. Diese lassen sich kaum exakt beziffern, sind aber sehr wichtig für den Wert eines Unternehmens.“

Zum anderen muss man als Nachfolgerin gleich zum Start eine Menge Geld in die Hand nehmen. Doch für Banken ist das kein Problem. Sie finanzieren lieber eine Übernahme als eine Neugründung. Denn hier gibt es eine Historie und Werte, die sie das Risiko gut kalkulieren lassen. Zudem sind finanzierende Banken auch gute Berater, da sie die Plausibilität eines Kaufpreises vor der Finanzierung genau prüfen und dazu ihre internen Branchenkennzahlen hinzuziehen. Bei der Finanzierung kommt dann auch wieder die Nachhaltigkeit ins Spiel. Denn die Leitlinien zur Kreditvergabe der Europäischen Bankenaufsicht fordern eine angemessene Berücksichtigung sogenannter ESG-Aspekte. Dabei geht es um Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Nachhaltigkeit ist somit auch ein Kriterium bei der Kreditvergabe.

Die Nachfolgerin hat aber den größten Vorteil. Denn dank der Übernahme verbucht sie vom ersten Tag an Einnahmen und kann ein bestehendes Unternehmen –wie es die beiden Beispiele eindrücklich gezeigt haben– mit viel Kreativität, Gründerinnengeist und Sinn für Nachhaltigkeit weiterentwickeln.

Wie läuft es denn jetzt mit der Nachhaltigkeit?

Ach ja, und wie war das denn nun mit der Nachhaltigkeit bei den beiden Nachfolgerinnen aus Hattingen und Waltrop? Nachhaltigkeit ist für beide ein Thema. Toni Petschulat sucht allerdings immer noch nach einer nachhaltigen Verwertung für ihre vielen Stoffreste. Bislang ist sie hier noch nicht fündig geworden. Birgit Honvehlmann prüft immer sehr genau, wo sie ihre Blumen bezieht. Denn eine Freiland-Rose aus Kenia hat trotz der langen Reise eine sechsmal so gute CO2-Bilanz wie die Treibhaus-Rose aus den Niederlanden. Auch für den kunstvollen Blumenschmuck, den sie für Veranstaltungen fertigt, hat sie schon Wege zur weiteren Nutzung gefunden.

Bleibt nur noch eine Frage: Ist so eine Übernahme eigentlich sexy? Die Beteiligten der Veranstaltung „Nachhaltig gründen“ sind sich da einig: Auch bei einer Übernahme sind kreative Macherinnen gefragt, denn für Unternehmen sowie in Sachen Nachhaltigkeit ist Stillstand ein Rückschritt. Deshalb heißt es heute mehr denn je: Nachhaltigkeit mitdenken!

Ausblick und weitere Termine:

Für das kommende Jahr plant das Projekt „Die Nächste bitte!“ mehrere Veranstaltungen zu Themen rund um Nachfolge und Übernahme. Etwa zur Ermittlung des Kaufpreises, zur Vorbereitung auf ein Bankgespräch, über zirkuläres Wirtschaften und persönliche Anforderungen an Nachfolgerinnen. Um die genauen Termine zu erfragen, sendet uns eine E-Mail an: kontakt@unternehmensnachfolge-frauen.de