Nachfolgerinnen zwischen Freiheit und Verantwortung

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Rund 20 Teilnehmer_innen besuchten unsere Online-Veranstaltung „Takeover als Chance?! – Mit einer Betriebsübernahme den eigenen Lebenstraum erfüllen“. Hier berichteten die beiden Nachfolgerinnen Sabine Piechaczek, Buchhandlung Junius in Gelsenkirchen und Ilka Teigeler, optik breiderhoff e.K. in Herten, von ihren Erfahrungen als Nachfolgerinnen. Dabei zeigten sie eindrücklich, wie unterschiedlich sich Übernahmen gestalten können. Doch beide genießen es heute, dem Geschäft „ihren Stempel“ aufzudrücken und Dinge entscheiden zu können. Zusätzlich gaben Jutta Beyrow vom Projekt „Die Nächste bitte!“ und Michael Meese von der IHK Nord Westfalen Tipps für die Suche nach einem Unternehmen und für den Übernahmeprozess.

Nicht nur um schöne Dinge kümmern

„Ich war immer gerne in der zweiten Reihe“, sagt Sabine Piechaczek von sich selbst. 2009 hat sie die Leitung der Buchhandlung Junius übernommen. Zunächst in einem Triumvirat, seit 2012 als alleinige Inhaberin und ergänzt: „Frontfrau zu sein, war erst einmal gar nicht so einfach.“ Das Delegieren musste sie erst lernen und auch, wie wichtig es ist, die Finanzen wirklich im Blick zu haben.

Als sie die Buchhandlung übernommen hatte, kümmerte sie sich zunächst vor allem um die schöneren Dinge, wie den Einkauf und die Kundenbetreuung und weniger um Finanzen und Verträge. Das ist ihr als Unternehmerin teuer zu stehen gekommen und hätte ihr fast das Genick gebrochen. Aber sie hat daraus gelernt und konnte das Ruder noch rechtzeitig umwerfen und das Schiff wieder auf Kurs bringen.

Wir sind hier nicht im Wunderland

In diesem Punkt pflichtet ihr Michael Meese von der IHK Nord Westfalen voll und ganz bei: „Wir sind hier nicht im Wunderland“, sagt er und betont, dass man sich als Nachfolgerin mindestens drei Bilanzen vorlegen lassen sollte und diese auch gründlich unter die Lupe nehmen muss.

An diesem Punkt schmunzelt Ilka Teigeler. Bei ihr war die Übernahme schon Thema im Bewerbungsgespräch. Acht Jahre lang hat sie gemeinsam mit ihrem Vorgänger den Weg der Übernahme Schritt für Schritt eingeleitet. „Ich hatte ein Riesenglück, dass ich einen unfassbar netten Chef und Vorgänger hatte, der mir vorher schon absolut freie Hand gelassen hat“, berichtet Teigeler von ihren Erfahrungen. Als es dann um Vertragsdetails ging, kamen Anwälte, Steuerberater und andere Experten dazu und es wurde nochmal schwierig: „Die haben uns das fast kaputt gemacht“, erinnert sich Ilka Teigeler, die das Geschäft für Augenoptik schließlich als Pächterin übernommen hat.

Sonderfall: Gründung als Pächterin

Mit dem Pachtvertrag hat sie nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch das gesamte Mobiliar, Maschinen, Geräte inkl. Wartung und Reparatur sowie die Kundenkartei gepachtet. Zwar hat sie die alleinige Verantwortung als Unternehmerin, aber ihr gehört fast nichts von Laden und Einrichtung. Sie kann aber damit arbeiten: „Dadurch gehört mir zwar fast nichts, aber ich habe auch kaum ein Risiko, wenn mal etwas kaputt geht“, fasst sie diesen Sonderfall zusammen.

Deutlich wird an beiden Übernahme-Beispielen, wie unterschiedlich Unternehmensübernahmen ablaufen können. Was beide Unternehmerinnen gemeinsam haben: Ein Start mit viel Arbeit, die Freude, Dinge zu gestalten, genauso wie das Tal der Zweifel. All das gehört zum Unternehmerinnendasein dazu, wie Mitorganisatorin Jutta Beyrow betont: „Ganz ohne Risiko geht eine Übernahme nicht. Wichtig ist ein strukturierter Übergabe-Prozess gemeinsam mit Vorgängerin oder Vorgänger. Hier sollten Sie sich unbedingt Unterstützung holen“, rät die erfahrene Unternehmensberaterin aus Gelsenkirchen.

Übernahme und Unternehmenssuche als strukturierter Prozess

Und dieser Übergabeprozess beginnt schon mit der Suche nach dem Unternehmen. Michael Meese erläutert die Unternehmensbörse „nexxt-change“, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit der KfW Bankengruppe kostenfrei zur Verfügung stellen. Nur allzu oft gibt diese Börse nicht das wider, was sich tatsächlich auf dem Markt tut. Ein Riesenproblem ist der verdeckte Markt. Denn sowohl Inhaber_innen als auch potenzielle Nachfolger_innen hängen ihre Absichten nur ungern an die große Glocke.

Was daraus folgt? Michael Meese hat einen einfachen wie guten Tipp parat: „Wer auf der Suche ist, muss das Glück auch zwingen. Also ruhig mal fragen!“ Und zwar immer dort, wo Unternehmen zusammenkommen, etwa bei Innungen, den IHKs, Steuerberatern, Netzwerken und Verbänden oder Großhändlern. Meese hat sogar schon gesehen, dass ein Inserat in der Tageszeitung Erfolg hatte: „Ganz zum Schluss kann ich nur raten, wenn ihr irgendwo ein Unternehmen kennt, das interessant ist: Ruhig mal unverbindlich ansprechen und fragen. Denn die Inhaber_innen wissen ja auch nicht, wo sie ihren Nachfolger oder ihre Nachfolgerin herbekommen.“ Ganz nach dem Motto: Sprechenden kann geholfen werden.