Und plötzlich war ich Chefin

Der Traum vom eigenen Blumenladen erfüllte sich bei Sabine Franz anders als erwartet.

Nachfolgerin Toni Petschulat

Sabine Franz, Floristin aus Herten, hatte denkbar wenig Zeit, um die Übernahmen des Floristikbetriebs zu planen. | Foto: Beate Fleck

Wenn frau eins können muss als Unternehmerin, dann ist es schnell auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Bei Veränderungen und unerwarteten Krisen brauchen Selbständige einen Plan und zwar sofort. Ob Umsatzrückgang, Lieferantenausfall, Kündigung von Mitarbeitern oder Corona – wer als Chefin in solchen Situationen in eine Schockstarre verfällt, hat schon verloren. Genauso eine beherzte Reaktion war gefragt, als Sabine Franz am 1. Oktober 2016 ganz plötzlich ein Blumenfachgeschäft übernahm.

Best Practice Nachfolgerin

Unternehmen             Blumen Kürten, Herten
Nachfolgerin               Sabine Franz
Branche                       Blumenfachhandel
Übernahme                 2016
Beschäftigte                3

www.blumen-herten.de

Dabei arbeitete die Floristin schon 25 Jahre bei „Blumen Kürten“ in zentraler Lage in Herten-Westerholt. Sie band Sträuße für alle Anlässe, fertigte Grabschmuck und elegante Tischdekorationen. Und eigentlich war schon lange klar, dass sie eines Tages in die Fußstapfen des Ladeninhabers treten würde.

Gemeinsam mit ihrem Vorgänger hatte sie geplant, ab Mai 2017 das kleine Geschäft zu übernehmen. Deshalb ließ sie sich von ihm in die Arbeit der Geschäftsleitung einführen, knüpfte erste Kontakte zu Lieferanten und besuchte Versteigerungen auf dem Blumenmarkt. Viele weitere Schritte sollten folgen. Doch dazu kam es nicht mehr.

Im September 2016 verstarb der Vorbesitzer urplötzlich. Neben der Trauer um ihren Chef, für den sie 25 Jahre gearbeitet hatte, musste sie nun auch geschäftlich von einem auf den anderen Tag ins kalte Wasser springen. „Der Moment war ganz schrecklich. Es war zwar alles besprochen, dass es dann so plötzlich kam, das war natürlich nicht abzusehen. Aber es war für mich dann selbstverständlich, dass ich das hier übernehme. Ich hatte ja schon zugesagt, dass ich das mache.“

„Der Moment war ganz schrecklich. Aber man musste sich dann zusammenreißen und es hat dann ja auch irgendwie funktioniert. Ich würde es immer wieder machen.“
Sabine Franz, Floristin und heutige Geschäftsinhaberin

Im Sprint durch die Gründungsbürokratie

Zunächst übernahmen die Geschwister des Verstorbenen kommissarisch das Blumengeschäft. Doch nur für wenige Tage. So hatte Sabine Franz dann trotz ihrer Vorbereitung weniger als einen Monat, um ihren Angestelltenstatus als Floristin ins Unternehmerinnendasein zu überführen.

Viel Mut war da gefragt. Sabine Franz kannte zwar die täglichen Abläufe in dem Laden aus dem Effeff. Doch Einkauf, Buchführung und genaue Kostenstruktur waren größtenteils noch Neuland, als sie ab Oktober 2016 das Geschäft übernahm, das auch heute noch den Namen des Vorbesitzers trägt. Mit Schrecken denkt sie an die ganzen Verträge, Formulare und sonstige Bürokratie, die sie in kürzester Zeit stark forderten: „Das war ja eine ganz eigene Liga. Ich wurde regelrecht ins kalte Wasser geworfen. Das war schon sehr dramatisch, dass einer verstirbt, der dir immer gesagt hatte: ‚Ich helfe dir dann beim Übergang‘. Und nun war er von heute auf morgen nicht mehr da.“

Doch die neue Unternehmerin nahm das Risiko auf sich. Sie nahm einen Kredit auf, um das Blumengeschäft zu übernehmen, und ihre Eltern bürgten dafür: „Für mich ging es vor allem darum, meine Arbeitsstätte zu erhalten. Ich wohne hier im Ort, kenne hier viele Leute und konnte dann auch noch eine Perspektive für meine Tochter entwickeln. Das alles aufzugeben, wäre schade gewesen.“

Die Gedanken sind immer im Geschäft

Die größte Herausforderung war damals der Einkauf. Die Neu-Unternehmerin musste lernen zu kalkulieren, was sie an Ware braucht und wie viel Geld sie dafür ausgeben konnte. Behutsam hat Sabine Franz das Blumengeschäft an ihren eigenen Stil angepasst und das Sortiment um Balkon- und Gartenpflanzen erweitert. Immer mal wieder nimmt sie bewusst neue Blüten dazu, um ihren Kundinnen und Kunden auch Ausgefallenes bieten zu können.

Unterstützt wird sie dabei inzwischen von ihrer Tochter. Die hat nach dem Abitur eine Ausbildung zur Floristin gemacht und ist nun in das Hertener Geschäft eingestiegen. Sehr zur Freude der Mutter. Neben ihren eigenen Erfahrungen bringen nun die neuen Ideen und der jugendliche Gestaltungswille der Tochter den Blumenladen und das dreiköpfige Team voran.

Nachdem Sabine Franz in weniger als 30 Tagen in die Selbständigkeit gerauscht ist, dominiert heute die Freude an der Arbeit. Bereut hat sie ihre beherzte Zusage daher nie: „Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Man ist sein eigener Chef trotz aller Schwierigkeiten. Ich habe zwar viel zu tun und bin hier von morgens bis abends. Und die Gedanken sind immer hier. Aber ich gehe jeden Morgen mit einem guten Gefühl hierhin. Es ist eben ein Teil von mir und das ist das Wichtige dabei.“

Ihr Tipp an alle Gründungsinteressierten lautet daher: „Wenn jemand das wirklich möchte, sollte er oder sie das auch verwirklichen.“ Ganz so rasant wie bei ihrem Start muss es ja nicht sein. In dem kleinen Blumenladen in Herten sind die Weichen für die Zukunft daher schon lange gestellt. Bis zur Rente will Sabine Franz noch selbst das Geschäft leiten, aber eines Tages soll ihre Tochter „Blumen Kürten“ die Familientradition fortsetzen.