Chefin statt Gehaltserhöhung

Netzwerke als Inspiration und Weg zum Erfolg

Nachfolgerin Toni Petschulat

Birgit Floss hat im Jahr 2000 einen Übersetzungsservice in Schwerte übernommen und schwört auf Erfolg durchs Netzwerken. | Foto: Beate Fleck

Wenn sie an die Szene denkt, die ihr berufliches Leben radikal veränderte, muss Birgit Floss auch heute noch schmunzeln: Im Jahr 2000 war sie Ende 20, Industriekauffrau, im Job ambitioniert und in zahlreichen beruflichen Netzwerken engagiert. Dieser Einsatz für ihr Unternehmen – ein Büroservice mit verschiedenen Sparten – sollte sich auch auf dem monatlichen Gehaltscheck angemessen widerspiegeln. Und so suchte Birgit Floss das Gespräch mit ihrer Chefin, um eine Gehaltserhöhung zu fordern.

Best Practice Nachfolgerin

Unternehmen   bmf text+
Nachfolgerin     Birgit Floss
Branche             Übersetzungen
Übernahme       2000
Beschäftigte      7

www.bmftextplus.de

Mehr Geld gab es nicht, stattdessen bekam sie ihr eigenes Unternehmen. Denn ihre damalige Chefin bot ihr an, den kompletten Übersetzungsbereich, den sie damals leitete, abzuspalten, so dass Birgit Floss ihn als eigenes Unternehmen übernehmen konnte: „Sie sagte, mit all deinen Netzwerken arbeitest du ohnehin schon wie eine Selbständige. Ich kann dir hier nichts mehr bieten. Und dann hat sie mir eine Zahl auf einen Zettel geschrieben.“

„Ich glaube ich wäre nicht selbständig geworden, wenn ich nicht in Netzwerken gewesen wäre. Das ist auch heute mein Tipp, dass man netzwerkt und abends nicht auf dem Sofa bleibt, sondern sagt, ich geh jetzt raus und verteile meine Visitenkarten und irgendwann kommt dann auch was zurück.“ Birgit M. Floss

Birgit Floss war anfangs geschockt von dem sechsstelligen Kaufpreis, den die Vorbesitzerin aufrief, fand den Preis aber bezogen auf den Jahresumsatz fair und so begann sie zu überlegen. Selbständig sein, das klang verlockend. Schließlich kannte sie zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Familie und im Freundeskreis. Hinzu kamen ihre Netzwerke, bei denen sie sich damals schon stark engagierte: „Ich habe mit vielen Menschen in meinem Umfeld gesprochen und die meisten haben mir geraten, einfach neu zu gründen, ohne zu kaufen. Doch ein Berater der SIHK (Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen – Anmerkung der Redaktion) meinte, der Vorteil ein Unternehmen mit einem bestehenden Kundenstamm aus einer Gruppe herauszukaufen, sei nicht zu unterschätzen. Man muss nicht bei Null und ohne eigenen Namen am Markt anfangen. Wir hatten ja Kunden, und die waren schon 20 Jahre bei uns. Deshalb habe ich es schließlich gemacht und habe auch nicht nachverhandelt.“

Die sechsstellige Summe war dennoch kein Pappenstiel für die junge Frau ohne großes Eigenkapital. Also stelle sie sich auf eine Odyssee durch die Banken ein, die sie überzeugen musste. Doch dank ihrer guten Netzwerkkontakte überzeugte sie die lokalen Bänker schnell. Anschließend musste sie bei der KfW-Bank wegen des fehlenden Eigenkapitals ein Eigenkapitalhilfedarlehen beantragen. Als das genehmigt war, bekam sie den Kredit und war Unternehmerin: „Ich konnte sofort loslegen, musste nichts Neues aufbauen und hatte gleich zu Anfang schon volle Auftragsbücher. Denn die Werbung war einfach, weil ich über den Unternehmensverbund der Vorbesitzerin zweimal im Jahr 20.000 Unternehmen ansprechen konnte.“

Info: Kaufen Mitarbeitende ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil entspricht dies faktisch einer Nachfolge. Die Abspaltung von Unternehmensteilen bietet beiden Seiten die Chance, die Unternehmensstrategien stärker zu fokussieren.

Seit dem sehr ordentlichen Einstieg in die Selbständigkeit sind mehr als 20 Jahre vergangen und auch mehrere Krisen gemeistert. Zwei Jahre nach ihrem Start ging der Mutterkonzern mit dem Platzen der IT-Blase in die Insolvenz. Das hätte auch Birgit Floss und ihr junges Unternehmen fasst mit in den Abgrund gezogen. Doch mit großem Einsatz und durch eine Umfirmierung hat sie dieses existentielle Hindernis überwunden.

Seit einigen Jahren mischen immer bessere Online-Übersetzungen den Markt auf und bedrohen Unternehmen wie das von Birgit Floss. Doch sie hat die drohende Krise genutzt, um sich über ihre hohen Qualitätsstandards noch klarer zu positionieren und von einem Billig-Übersetzungsmarkt abzuheben. Denn was nichts kostet, taugt oft nichts. „Noch vor einigen Jahren habe ich befürchtet, der Übersetzungsmarkt stirbt aus. Aber wir sind der Knotenpunkt zu Fachübersetzern und entwickeln zum Beispiel Slogans für die Werbung. Und du kannst einen Slogan nicht in ein Programm eingeben und hoffen, es kommt etwas Gutes dabei raus. Das kann kein Übersetzungsprogramm, dafür braucht man Muttersprachler*innen.“

Ihr Unternehmen mit dem schönen Talblick in Schwerte-Villigst hat die couragierte Unternehmerin so sicher durch schwere Zeiten gelenkt und Arbeitsplätze für inzwischen sieben Angestellte geschaffen oder erhalten. Was seit der Übernahme gleichgeblieben ist, ist ihre Freude an Netzwerken. Eine Leidenschaft, die für sie nur positive Auswirkungen hatte. „Netzwerken war einer der Gründe, weshalb das bei mir gleich am Anfang geklappt hat. Du verteilst deine Visitenkarten und manchmal kommt fünf Jahre später jemand und erinnert sich an dich. Mein Tipp: Macht euch nach außen sichtbar und vernetzt euch. Mir hat das viel gebracht“, ist Birgit Floss nach wie vor felsenfest überzeugt, dass die Freude am Netzwerken in allen Businessbereichen ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum unternehmerischen Erfolg ist.