Mehr als ein neuer Anstrich. Fachartikel zur Arbeitgebenden-Attraktivität

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So wird Ihr Unternehmen attraktiv für Fachkräfte

Von Julia Kramer | Prospektiv GmbH

Neuer Anstrich

Mehr als ein neuer Anstrich! Zur Autorin: Julia Kramer (nicht im Bild) ist Sozialwissenschaftlerin (M.A.) und arbeitet seit mehr als 10 Jahren in Projekten mit Unternehmer-innen bei der Prospektiv GmbH in Dortmund.

Wer als Nachfolgerin ein Unternehmen übernimmt, setzt sich in mancherlei Hinsicht ins gemachte Nest. Vieles was bei einer Existenzgründung mühselig aufgebaut werden muss, ist schon da. Zum Beispiel gut eingeführtes Personal, das Sie als neue Chefin mit übernehmen. Doch heißt das, wer ein Unternehmen als Nachfolgerin übernimmt, braucht sich um Fachkräfte nicht mehr zu kümmern?

Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn für die Beschäftigten ist die Übernahme eines Betriebes meist ein großer Einschnitt. Was wird sich unter der neuen Chefin ändern? Bekomme ich wieder die Wertschätzung? Wie wird sich mein Status im Betrieb entwickeln? Wie sicher ist mein Arbeitsplatz künftig? Das sind Fragen, die verunsichern und bei den Beschäftigten an die Substanz gehen. Besonders vertrackt wird es, wenn Sie als ehemalige Mitarbeiterin einen Betrieb übernehmen und von der Kollegin zur Chefin aufsteigen.

Als Nachfolgerin brauche ich mich um das Thema Fachkräfte nicht mehr zu kümmern, oder?

Aus den vielen Interviews, die wir mit Nachfolgerinnen geführt haben, wissen wir, dass langjährige Beschäftigte häufig den Betrieb kurz nach einer Übernahme verlassen. Das kann fatale Folgen haben. Sie müssen sich dann nicht nur in die Rolle der neuen Chefin einfinden, sondern müssen plötzlich auch noch neue Fachkräfte suchen und vor allem geht wertvolles Know-how im Unternehmen verloren.

Friseurmeisterin Nina Grothaus war sich dieser Gefahr bewusst, als sie 2011 in Dortmund einen Salon übernommen hat. Daher lud sie alle Beschäftigten vor der Übernahme zum Essen ein und führte ein sehr persönliches Gespräch über Wünsche, Erfahrungen und auch Sorgen der Angestellten, die mit der Übernahme einhergingen. So bekam sie ein gutes Gespür für die Lage im Betrieb, gewann viel Vertrauen und es gelang ihr, die langjährigen Fachkräfte samt ihrer Bindung zu den Kundinnen zu halten.

Der erste Schritt zur Attraktivität als Arbeitgeberin war damit getan. Dr. Frank Kühn-Gerhard ist Experte für Arbeitgebenden-Attraktivität bei der Handwerkskammer in Münster. Angesichts des aktuellen Fachkräftemangels rät er Nachfolgerinnen dringend, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen: “Warum sollen sich talentierte, qualifizierte und motivierte potentielle Fachkräfte gerade für Ihr Unternehmen interessieren oder sich bei Ihnen bewerben? Und was bindet Ihre Mitarbeitenden dauerhaft an Ihr Unternehmen? Stellen sie sich mindestens diese Fragen und erarbeiten Sie ehrliche und realistische Antworten und Lösungsstrategien.”

Der ‚War for Talents‘ hat längst begonnen

In Zeiten des Fachkräftemangels ist Arbeitgebenden-Attraktivität wichtiger denn je geworden. Das gilt für große Unternehmen, aber auch für die Physiotherapiepraxis, die kleine Gastronomie oder einen Handwerksbetrieb. Während man früher von einem „War of Talents“ geredet hat, also dem Kampf der Talente um die verfügbaren Stellen, ist heute die Rede von einem „War for Talents“, also dem Kampf der Unternehmen um die auf dem Arbeitsmarkt bereitstehenden Fachkräfte.

Denn die Veränderung des Arbeitsmarktes hat zur Folge, dass Bewerberinnen und Bewerber sich bewusst für eine Arbeitgeberin oder einen Arbeitgeber entscheiden können. Fragen wie z. B. „Was bietet das Unternehmen mir?“, „Fühle ich mich dort wohl?” und „Will ich dort überhaupt arbeiten?“ stehen heute im Vordergrund.

“Wahre Schönheit kommt von innen, das gilt auch für Unternehmen.” Arne Lehmann, Unternehmensberater bei der Prospektiv GmbH in Dortmund

Stellschrauben eines attraktiven Unternehmens

Was heißt das jetzt für Sie als Nachfolgerin? Es bedeutet, dass Sie Ihre Attraktivität als Unternehmen am Arbeitsmarkt bewusst gestalten sollten. Viele von Ihnen kennen den Begriff „Employer Branding“, damit ist aber vor allem die Außendarstellung als arbeitgebendes Unternehmen gemeint und es steht am Ende des eigentlichen Prozesses. Der Prozess zur Erarbeitung einer Arbeitgebendenmarke beginnt innerbetrieblich und ist als langfristige Unternehmensentwicklung zu verstehen.

Arne Lehmann, Unternehmensberater für Führung und Change-Management bei der Prospektiv GmbH in Dortmund dazu: “Getreu dem Motto ‘Wahre Schönheit kommt von innen’ müssen erst die Grundlagen geschaffen werden. Hilfreich ist es dabei, sich anhand einer konkreten Struktur als Arbeitgeber*in selbst zu reflektieren.” Stellschrauben, um die Attraktivität eines Unternehmens aus Sicht von Beschäftigten unter die Lupe zu nehmen und zu steigern, gibt es viele:

  • Lebensqualität: Arbeitsumfeld | Work-Life-Balance | Standort
  • Prozesse: Arbeitsverfahren | Personalpolitik
  • Führung und Team: Kolleg*innen | Management | Unternehmensleitung
  • Entwicklung: Anerkennung | Berufliche und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten
  • Tätigkeit: Motivation | Arbeitsaufgabe | Arbeitsmittel | Ressourcen
  • Vergütung: Gehalt | Soziales und Nebenleistungen
    (Quelle:  in Anlehnung an das Cockpit-Arbeitgeberattraktivität, 2004)

Bei vielen dieser Aspekte kann man auch als kleines Unternehmen punkten, denn hier spielt der persönliche Kontakt eine wichtige Rolle, wie Friseurmeisterin Nina Grothaus erläutert: „Wenn ich jemanden einstelle, dann schaue ich vor allem darauf, ob die Chemie stimmt. Fachliches kann eine neue Kraft auch im Nachhinein noch lernen. Da investiere ich lieber in Fortbildungen, als dass ich das Teamgefüge aufs Spiel setze. Schließlich möchte ich ja auch selbst in einem angenehmen Team arbeiten.“

Was also sollten Nachfolgerinnen tun? Die Attraktivität Ihres Betriebes für Beschäftigte ist enorm wichtig. Sei es um bestehende Mitarbeiter*innen zu halten oder um neue zu gewinnen. Wenn Sie ein Unternehmen übernehmen, braucht es mehr als einen neuen Anstrich. Nutzen Sie Ihre Gestaltungsmöglichkeiten und schaffen Sie für sich selbst und für Ihre Beschäftigten ein optimales Umfeld.

Weitere Informationen zur Attraktivität als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber finden Sie in unserem Tutorial Unternehmensnachfolge für Frauen 4: „Arbeitgebenden Attraktivität“ auf unserer Website.

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