Bis die Nadel glüht

Von der kleinen Nähstube zur gewerblichen Serienfertigung

Nachfolgerin Toni Petschulat

Toni Petschulat, Bekleidungstechnikerin und Veranstaltungskauffrau, ist heute 64 Jahre alt und hat 2009 einen Nähereibetrieb in Hattingen übernommen. | Foto: Beate Fleck

Toni Petschulat fackelt nicht lange. Wenn sich ihr ein Weg auftut, macht sie den nächsten Schritt. So war es auch vor mehr als zwölf Jahren, als sie nach vielen Berufsjahren eine neue Perspektive suchte. Freunde hatten ihr schon lange geraten, sich selbständig zu machen. Als sie damals mit Anfang 50 auf Arbeitssuche war, las sie im Internet von der Hattinger Änderungsschneiderei, die eine Nachfolgerin suchte. Da wusste sie was zu tun war.

Best Practice Nachfolgerin

Unternehmen             Nähwerkstatt Hattingen
Nachfolgerin               Toni Petschulat
Branche                       Nähereibetrieb
Übernahme                 2009
Beschäftigte                5

www.naehwerkstatt-hattingen.de

„Ich glaube, wenn man in so ein Geschäft reinkommt, braucht man eine Einladung. Und wenn man sich nicht gut versteht, gibt es die nicht.“

Sie verabredete sich mit der Vorbesitzerin und spürte schnell, dass die Chemie stimmte. Nach anderthalb Stunden Gespräch war klar, dass das nicht das letzte Treffen war. Wenn Toni Petschulat heute daran zurückdenkt, sagt sie: „Das Leben ist manchmal so, dass es dir eine Tür zeigt und sagt: ‚Geh da mal durch!‘ Und das habe ich getan.“

Auch beim Kaufpreis waren sich beide schnell einig. Toni Petschulat hatte sich im Vorfeld damit befasst, wie man den Geschäftswert ermittelt. Vor allem hatte sie beim Kaufpreis ein gutes Bauchgefühl und sie wusste, dass er finanzierbar war. Mit Unterstützung einer Unternehmensberatung entwickelte sie einen Geschäftsplan, den die Bank anstandslos akzeptierte. So konnte sie die Übernahme durch einen KfW-Kredit finanzieren.

Drei Monate arbeite Toni Petschulat noch im Betrieb gemeinsam mit ihrer Vorgängerin, bevor sie die alleinige Verantwortung übernahm. Ganz bewusst hatte sie seinerzeit ein gut funktionierendes Geschäft ausgesucht: „So hatte ich vom ersten Tag an Umsätze und die Hilfe durch die Vorbesitzerin“, sagt Toni Petschulat.

Anfangen, fertig machen, nicht aufgeben!

In zwölf Jahren hat sie die Höhen und Tiefen des Unternehmerinnen-Daseins kennen gelernt. Die Zahl ihrer Beschäftigten konnte sie aufstocken. Den Umsatz hat sie inzwischen verdreifacht. Die Änderungsschneiderei für die Nachbarschaft formte die Unternehmerin nach und nach zu einem Nähereibetrieb mit gewerblichen Aufträgen. So rüstet sie beispielsweise Spezialhandschuhe mit Klettbändern aus oder repariert Uniformen für die lokale Feuerwehr.

„Mein Tipp an Frauen, die überlegen einen Betrieb zu übernehmen? Machen! Wenn man sich damit gut fühlt, wenn man sich das zutraut und wenn man das Fachwissen hat – machen!“

Aber das war nicht immer so einfach, wie es heute klingt. Ängste und Zweifel gab es immer wieder und dazu kam in vielen Jahren die umsatzschwache Winterzeit. Zweimal hatte ihr die Handwerkskammer geraten, das Geschäft zu schließen, aber ihr Durchhaltevermögen und ihre Kreativität haben sie immer wieder gerettet: „Es gab ein Jahr, das war wirklich bitter. Da habe ich angefangen, frühmorgens Zeitungen auszutragen. Irgendwann musste ich damit aufhören, weil ich wieder so viel Arbeit hatte, dass ich das nicht mehr geschafft habe.“ Die Bewegung habe ihr aber gutgetan, sagt sie heute schmunzelnd: „Am meisten hat mir wirklich meine Sturheit geholfen: anfangen, fertig machen, nicht aufgeben!“

Mit Mut und Kreativität zum nächsten Wachstumsschritt

Heute sitzt Toni Petschulat noch 50 Prozent ihrer Zeit an der Nähmaschine. Dadurch hat sie Freiräume, um ihren Betrieb unternehmerisch weiter zu entwickeln. Neben dem Nähstudio, in dem sie für Privatkunden arbeitet, fertigt sie in ihrer Werkstatt regelmäßig Kleinserien für Unternehmen aus Industrie und Gewerbe.

Geholfen haben ihr dabei ihre Branchenerfahrung und ihre Kontakte zu vielen Lieferanten. Nun wartet schon bald der nächste Wachstumsschritt auf das kleine Unternehmen. Denn ab dem Sommer hat sie für die gewerbliche Fertigung endlich größere Räumlichkeiten angemietet.
„Ich habe viel Glück gehabt“, resümiert die Unternehmerin heute, die vor 12 Jahren als Nachfolgerin gestartet ist. Doch Glück kann man sich bekanntlich auch erarbeiten. Zufriedene Kunden, die Top-Qualität zu schätzen wissen, dazu Durchhaltevermögen gepaart mit Kreativität, das ist der Stoff, aus dem Toni Petschulat einen florierenden Betrieb gewebt hat. Ein Erfolgsmuster, das sie dann in einigen Jahren gerne an eine Nachfolgerin weitergeben möchte.