Harte Brocken bearbeiten
Marilyn Lindner überwindet als Nachfolgerin eines Steinmetzbetriebes manches Hindernis
Als Steinmetzin und Bildhauerin ist es Marilyn Lindner gewohnt, harten Stein zu bearbeiten und ihn perfekt in Form zu bringen. Ein harter Brocken war auch die Übernahme der Steinbildhauerei in Gelsenkirchen-Hassel.
Als Steinmetzin und Bildhauerin ist es Marilyn Lindner gewohnt, harten Stein zu bearbeiten und ihn perfekt in Form zu bringen. Ein harter Brocken war auch die Übernahme der Steinbildhauerei in Gelsenkirchen-Hassel.
Die Steinbildhauerei Rainer Zacharzewski ist ein Traditionsbetrieb mit einer 65jährigen Unternehmensgeschichte. Branchenüblich in direkter Nachbarschaft zu einem Friedhof liegt das Hauptaugenmerk des Unternehmens dabei auf der Gestaltung von Grabmalen.
Best Practice Nachfolgerin
Unternehmen Steinbildhauerei Zacharzewski e.K.
Nachfolgerin Marilyn Lindner
Branche Kunsthandwerkliche Natursteingestaltung
Übernahme 2022
Beschäftigte 5
Eine der Mitarbeitenden ist Marilyn Lindner. Als Steinmetzin liebt sie die harte Arbeit mit Lastenkran, Sackkarre und Druckluftmeißeln genauso wie die künstlerischen Tätigkeiten mit filigranen Ornamenten, Verzierungen und kunstvollen Beschriftungen.
Zu den Anforderungen in einem Unternehmen in Friedhofsnähe gehört neben handwerklichem Können aber auch die Fähigkeit zu einfühlsamen Gesprächen mit Menschen, die gerade schmerzhafte Verluste betrauern. Ein weit gefächertes Anforderungsprofil also, das noch größer wurde, als der Chef seine junge Gesellin vor etwa fünf Jahren fragte, ob sie sich eine Übernahme des Betriebes vorstellen könne.
Marilyn Lindner liebte ihren Beruf und war nicht hat abgeneigt, die eigene Chefin zu werden. Doch um einen Steinmetzbetrieb zu führen, braucht man einen Meisterbrief. Also musste Marylin Lindner nochmal die Schulbank drücken: „Das war schon eine große Herausforderung: Zwei Jahre lang in der Meisterschule mit langen Fahrtzeiten und parallel dazu das Handwerk. Das war viel Arbeit und viel
Zeit, die ich investiert habe. Aber nach dem Abschluss bin ich dann noch stärker herausgegangen und war selbst überrascht, dass das alles funktioniert hat.“
Ein Meilenstein – die Finanzierung
Heute ist sie stolz auf ihren Meistertitel. Auf dem Weg zur Übernahme lauerte indes der nächste harte Brocken: die Finanzierung. Zu dem Steinmetzbetrieb gehört neben dem Inventar ein Pachtgrundstück mit 3000 qm Ausstellungsfläche und mehr als 1000 Grabmalen und Natursteinobjekten. Hinzu kommen ein Wohnhaus, eine Werkstatt, ein Büro- und Ausstellungsraum, Werkzeuge, Maschinen und ein neuer LKW musste auch noch angeschafft werden.
Bis die Finanzierung in trockenen Tüchern war, musste die frisch gebackene Meisterin viele Banken abklappern: „Es hat ein gutes Jahr gedauert, in dem ich den Business Plan erstellt und mit verschiedenen Steuerberatern und Banken gesprochen habe. Ich musste mich immer wieder auf die Gespräche vorbereiten und habe dabei den Businessplan ständig angepasst. Das war schon eine ziemliche Herausforderung, aber ich habe auch viele Erfahrungen gesammelt. Es ging ja um große Summen, dementsprechend hoch waren die Anforderungen an den Businessplan. Aber ich habe gelernt mit den Zahlen umzugehen und es wurde immer leichter.“
Schließlich gaben die Banken grünes Licht und im Februar 2022 übernahm Marilyn Lindner das Unternehmen. Nun ist sie die Inhaberin der Steinbildhauerei Zacharzewski.
Unternehmensführung ist viel Büroarbeit
Heute sitzt die Jungunternehmerin oft lange im Büro, obwohl die Handwerkerin in ihr lieber in der Werkstatt meißelt oder mit Kunden redet: „Ich mache jetzt schon mehr Stunden, im Moment fast ausschließlich am Schreibtisch. Aber für den Anfang ist das so sicher normal. Zum Glück habe ich die Unterstützung von meinem Lebensgefährten und meiner Familie, die hin und wieder dafür sorgen, dass ich auch mal die Beine hochlege. Langfristig möchte ich aber mindestens die Hälfte meiner Zeit auch in der Werkstatt stehen.“
„Ich glaube schon, dass es für eine Frau schwieriger ist. Gerade im Handwerk muss man sich doch mehr beweisen, das habe ich über die vielen Jahre schon gemerkt. Als Frau muss man in der Regel mehr leisten, um das zu bekommen, was man will. Letztendlich hat es sich aber gelohnt.“ Marilyn Lindner
„Ich bin so froh, dass ich jetzt meine eigene Chefin bin!“
Bereut hat sie keinen einzigen Moment auf ihrem Weg in die Selbständigkeit. Heute kann sie ihren Arbeitstag selbst einteilen, trifft alle wichtigen Entscheidungen selbst, gestaltet die Dinge, wie sie es möchte und blickt voller Stolz auf ihr großes Firmengelände und resümiert: „Ich habe in den letzten Tagen zum ersten Mal gemerkt, dass ich wirklich stolz auf mich bin. Und ich glaube es ist wichtig, sich auch mal zu loben und zu sagen, wow, das ist jetzt alles meins!“
Ja, stolz darf die engagierte Steinmetzin durchaus sein. Künftig möchte sie ihren Tätigkeitsbereich sogar noch ausweiten und auch als Restauratorin in Kirchen aktiv werden. Denn das ist ein Vorteil der Selbständigkeit, Marilyn Lindner hat nun all die Freiheiten, die sie sich vorgestellt hat.